Direkt zum Inhalt

Erlebt und bewegt

In dieser Rubrik veröffentlichen wir regelmässig Beiträge aus der gleichnamigen Rubrik der Zeitschrift factum - mit freundlicher Genehmigung.

LEERE BATTERIEN!?

Viele lieben Elektroautos. Ich nicht. Weshalb? Weil ein Elektroauto meiner Meinung nach nicht alltagstauglich ist. Trotzdem erhielt ich kürzlich von einem Elektroauto eine wichtige Lektion für mein geistliches Leben. Meine Frau und ich hatten einen freien Tag, auf den wir uns sehr gefreut hatten. Zeit zu zweit in den wunderschönen Schweizer Bergen, ein wenig Abstand nehmen vom Alltag und neue Kraft tanken, so das Ziel. Der «Zufall» wollte es, dass wir an diesem Morgen unser Auto für zwei Tage zur Reparatur in die Werkstatt bringen mussten. Als Ersatzauto bekamen wir – natürlich – ein Elektroauto. Bei der Übergabe war die Batterie zu 80 Prozent gefüllt, die Reichweite mit 300 Kilometern angegeben. Das Unheil erahnend, fragte ich vorsichtig, ob das wohl reichen würde. «Natürlich», war die selbstverständliche Antwort des Garagisten. Ein Weg sei schliesslich «nur» 90 Kilometer lang und bergab könne die Batterie sogar wieder aufgeladen werden. Wo lag also das Problem?

Fürs Erste beruhigt fuhren wir los. Die Beruhigung jedoch wich rasch einer gewissen Ernüchterung. Man konnte zuschauen, wie sich die Batterie im Minutentakt entleerte, die Reichweite schmolz dahin wie Schnee in der Frühlingssonne. Auf der Autobahn fuhren wir in eher gemächlichem Tempo, bergauf gings im Schneckentempo. Es half alles nichts. Am Ziel angekommen war die Batterie bei 28 Prozent, die verbliebene Reichweite betrug noch 80 Kilometer. Anruf in der Garage. Überraschung pur. Nur noch 80 Kilometer? Damit hatte auch der gute Mann nicht gerechnet. Er gab mir Tipps zum «Batteriesparen»: Eco-Modus rein, Heizung runter, mit maximal 80 Kilometern pro Stunde nach Hause «brettern». Beiläufig erwähnte er, dass es gut wäre, wenn ich irgendwo aufladen könnte. Ein Elektroauto hatte ich noch nie aufgeladen, wohl aber vernommen, dass es nicht immer ganz reibungslos funktioniert. Statt eines entspannten Tages waren wir nun mit der Frage konfrontiert, ob und unter welchen Umständen wir am Abend nach Hause kommen würden. Schöne Aussichten!

Ich bin mir bewusst: Im Vergleich zu vielem anderen sind das Bagatellsorgen, eigentlich nicht der Rede wert. Trotzdem stellt sich die Frage: Wie reagiere ich, wenn Pläne durchkreuzt werden, wenn Schwierigkeiten auftauchen, sich Situationen von jetzt auf nachher ändern? Suche ich sofort nach Lösungen oder halte ich Ungewissheiten aus, ohne in Panik zu verfallen – in dem Wissen, dass Gott selbst im Kleinen vorsorgt und mir alles zum Guten dient? Bleibe ich in Kontakt mit Ihm und lege Ihm alles hin, auch die kleinen Sorgen des Alltags?

Wir fanden bald einen öffentlichen Parkplatz mit Ladestationen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten gelang es mir tatsächlich, den Wagen an die Stromversorgung anzuschliessen und nach ein paar Runden auf den Langlaufskiern war die Batterie wieder bei 100 Prozent und die Sorge ums Nachhausekommen verflogen. Danke, Herr Jesus!

Nachdenklich stellte ich mir die Frage: Wohin gehe ich, wenn meine Lebensbatterie leer ist? Wo tanke ich Kraft für den Alltag mit all seinen Aufgaben und Herausforderungen? Am besten, bevor meine Batterie im «roten Bereich» ist? David bezeugt: «O Gott, du bist mein Gott, früh suche ich dich! Meine Seele dürstet nach dir; mein Fleisch schmachtet nach dir in einem dürren, lechzenden Land ohne Wasser» (Ps. 63,1). David hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, seinen Gott täglich früh zu suchen und in aller Stille vor sein Angesicht zu kommen. Davon will auch ich mich leiten lassen.

Diesel- und Benzinmotoren sind in wenigen Minuten wieder vollgetankt, Elektroautos brauchen deutlich länger. In dieser Hinsicht gleichen wir Menschen wohl mehr einem Elektromotor. Der «Vers des Tages» wird dich nicht weit tragen. Was wir brauchen, ist Schwarzbrot, nahrhafte Kost – und die lässt sich nicht in fünf Minuten hinunterschlingen.

Raphael Berger